Die Liebe in der Kunst
ROM, 16. Februar 2010 (ZENIT.org). – Dieses Jahr hat das Ministerium für Nationales Kulturerbe mit einer besonderen Marketingidee zum Valentinstag überrascht. Anstatt den Festtag mit dem üblichen Konsum in Form von Geschenkartikeln, Kino- oder Restaurantbesuchen zu verbringen, wurden die Verliebten angeregt, sich geistig-genussvoll mit dem Begriff „Liebe“ auseinanderzusetzen. Und welches Medium ist dazu besser geeignet als die bildende Kunst, die das Thema in alle Epochen verarbeitet hat, und zwar das gesamte Spektrum von erotischer bis zur transzendenten Liebe?
Unter dem Slogan „Am Valentinstag verliebt in die Kunst“ lockte die Aktion junge Paare in Museen, die sonst in der jungen Generation, wie man weiß, nur geringe Attraktivität genießen. Anreiz gab eine Freikarte pro Besucherpaar in allen Staatlichen Sammlungen und Monumenten. Kulturminister Bondi rühmte gestern den vollen Erfolg der Initiative, die mit einer kostspieligen Werbekampagne vorbereitet wurde. Trotz Kälte und Schnee verzeichnete Museen in allen Städten Italiens einen regelrechten Boom.
In Rom war die Galleria Borghese besonderer Anziehungspunkt für Verliebte am Valentinstag. Nicht nur, weil sie mit ihren so genannten Geheimen Gärten, den Brunnen und dem Parkgelände zu einem romantischen Spaziergang einladen, sondern weil die Sammlung mehrere Meisterwerke aufbewahrt, die das Thema Liebe zum Gegenstand haben.
Die meiste Beachtung fand die berühmte Skulpturengruppe von Apoll und Daphne, die Lorenzo Bernini 1622-25 meißelte. Abgesehen von der Bewunderung für die außerordentliche bildhauerische Qualität, – es handelt sich um eines der Highlights des Barocks -, gilt das Interesse des Publikums der subtilen Ironie, mit der Bernini ein wichtiges Liebesthema behandelt hat. Das Götterpaar versinnbildlicht nicht etwa erfüllte Liebe, sondern das Gegenteil: die Schmach von nicht erwiderter Liebe. Wem ist dieses Gefühl nicht schon widerfahren?
Bernini hatte die Metamorphosen des Ovid (Buch 1, Vers 545-547) vor Augen, als er die Liebesjagd des Apollon in Marmor verewigte. Der Gott des Lichts, vom goldenen Pfeil Cupidos getroffen, entbrannte in leidenschaftlicher Liebe zu der keuschen Nymphe Daphne. Diese konnte jedoch seine Gefühle nicht erwidern, da zuvor Cupido auf sie einen bleiernen Pfeil abschoss, der das Gegenteil bewirkte. Cupidos übler Scherz sollte Apollon für seine Hybris bestrafen.
Bernini wählte die Szene des unglücklichen Ausgangs der aufdringlichen Liebeswerbungen Apollons. Der junge Gott glaubt sich nach einer längeren Verfolgungsjagd durch den Wald bereits seiner „Beute“ sicher. Freudig packt er sie im Lauf von hinten um die Taille. Aber siehe da, in dem Moment, in dem er Daphne berührt, geht ihr Wunsch nach Rettung in Erfüllung: Sie wird in einen Lorbeerbaum verwandelt. Daphne ist die griechische Bezeichnung für Lorbeer.
„Nach und nach werden die weichen Brüste von Rinde umschlungen, die Haare werden zu Blättern und die Arme wachsen zu Zweigen empor. Auch Daphnes Füße erstrecken sich ins Erdreich und werden zu Wurzeln. Zum Schluss bleibt nur noch ihre Schönheit zurück.“ (Ovid)
Bernini hat mit diesem Werk einen neuen Erzählstil in die Rundplastik eingeführt. Die Marmorgruppe ist mehr als eine Momentaufnahme, sie „erzählt“ den gesamten Mythos:
Auf die Verfolgungsjagd deutet das Laufmotiv mit dem weit nach hinten geschwungenen Spielbein des von ungebremster Leidenschaft erfassten Gottes, die Abscheu und Furcht der Nymphe liest man ihrem schreckverzerrtem Gesicht mit dem zum Schrei geöffneten Mund. Besonders virtuos ist die realistische Darstellung der Metamorphose ihres Körpers. Der Betrachter kann beim Umschreiten des lebensgroßen Bildwerks die einzelnen Phasen der Verwandlung in einen Baum nachvollziehen: aus ihren Zehen ranken sich Wurzeln, ihren Beine werden langsam von einer Rinde umhüllt, die in damals gebotener keuscher Manier geschickt auch ihre Genitalien verdeckt. Ihr anmutiger, spiralförmig gedrehter Körper gleicht einem biegsamen Stamm, der sich nach oben verästelt. Meisterhaft die hauchdünnen Blätter und zierlichen Zweige, die sich aus ihrem flatterndem langen Haar und ihren gespreizten Fingern ranken.
Apollon, der sich zuerst noch siegessicher glaubt, muss im nächsten Moment erkennen, dass er statt seiner holdenen Angebeteten nur ein Stück Holz in den Händen hält. Sie verweigert sich ihm bis zum Schluss: „Apoll berührt sie und fühlt noch ihr Herz schlagen. Er will sie küssen, aber sie weicht, nun als Baum, noch immer zurück.“ (Ovid)
Aus Trost bricht er sich einen Lorbeerzweig ab, windet ihn zum Kranz und setzt ihn sich als Zeichen seines Kummers über die nicht erwiderte Liebe auf das Haupt. Seitdem ist der Lorbeer der heilige Baum des Apollon.
Dass der Lorbeerkranz ursprünglich Symbol gescheiterte Liebeswerbung war, mag heute in Vergessenheit geraten sein. Wir verbinden den Kranz mit der Bedeutung, der ihm später vor allem durch die Römer gegeben wurde: Auszeichnung für Sieg, Frieden und andere Verdienste.
Die unterhaltsamen wie turbulenten Liebes- und Leidensgeschichten der griechischen Götter waren seit der Renaissance beliebte Darstellungsthemen der Kunst. Auftraggeber der Marmorgruppe war Kardinal Scipione Borghese (1576-1633), der mächtige und kunstvisierte Neffe von Papst Paul V., der die berühmte Familiensammlung in der Villa Borghese vor den Toren der Stadt anlegte. Die Präsenz eines solchen paganen Sujets im Hause des Kardinals rechtfertigt ein in der Statuenbasis eingraviertes Distichon, das eine moralische Auslegung im christlichen Sinn der Szene liefert. Der Verfasser ist kein Geringerer als Maffeo Barberini, der Freund der Familie und spätere Papst Urban VIII.: „Quisquis amans sequitur fugitivae gaudia formae frondes manus implet baccas seu carpit amaras“.
„Wer den flüchtigen Freuden nachzujagen beliebt, findet zuletzt in seinen Händen nur bittere Beeren“.
Dem weisen Ratschlag werden auch nach knapp vierhundert Jahren noch alle „echten“ Liebespaare uneingeschränkt zustimmen.