ROM, 17. November 2010 (ZENIT.org).- Regisseur Xavier Beauvois konnte bei Beginn der Dreharbeiten letzten Winter nicht ahnen, dass die Filmhandlung durch die jüngsten Ereignisse der Ermordung von Christen im Nahen Osten einen brandaktuellen Bezug erhalten würde.
Erzählt wird die wahre Geschichte einer kleinen Mönchsgemeinschaft in dem Trappistenkloster Notre-Dame de l’Atlas von Tibéhirine, einem bettelarmen Dorf im algerischen Atlas. Die Ordensmänner leben in friedlicher Eintracht neben den muslimischen Dorfbewohnern. Unwegsame Berghänge haben sie in blühende Gärten verwandelt, ihren Honig verkaufen sie auf dem Wochenmarkt. Sie werden nicht nur für ihre medizinische und wirtschaftliche Entwicklungshilfe geschätzt, sondern auch als Ratgeber bei kleinen und großen Nöten des Alltags. Kein Bekehrungseifer, vielmehr ein beispielhaftes freundschaftliches Nebeneinander dieser beiden durch so verschiedenen Religionen und Kulturen geprägten Realitäten.
Als Zeichen der gegenseitigen Akzeptanz und des Vertrauens werden die Fratres regelmäßig zu den muslimischen Festen eingeladen und vom Iman und den Dorfältesten bei Problemen konsultiert. Prior Christian beschreibt dieses Verhältnis treffend: „Der Islam und das Land verhalten sich wie Seele und Körper zueinander, woran als Christen teilzuhaben für uns gleichermaßen Geschenk wie Auftrag ist.“
Jedoch soll die Idylle nicht von Dauer sein. Wir sind in der Mitte der Neunziger Jahre, kurz nachdem das Militär sich an die Regierung geputscht hatte und nun versucht, die sich im Lande ausbreitende islamistische Terrorbewegung Groupe islamique armé (GIA) mit allen Mitteln zu unterdrücken. Als benachbarte kroatische Gastarbeiter von unbekannten Fanatikern brutal abgemetzelt werden, wird auch den französischen Brüdern bewusst, dass sie als nichtmuslimische Ausländer die nächsten Opfer sein könnten.
Das Schicksal lässt nicht lange auf sich warten. Ausgerechnet in der Weihnachtsnacht dringen Fundamentalisten in das Kloster ein, verlangen hinter vorgehaltenen Waffen Medikamente und wollen den betagten Klosterarzt Père Luc (Michael Lonsdale) für die Behandlung eines verletzten Mitkämpfers in ihr Lager entführen. Abt Christian tritt dem Anführer mutig entgegen und kann ihn von seinem Vorhaben abbringen. Dennoch kann er nicht umhin, in Zukunft ärztliche Versorgung in ihrer dürftig ausgestattenden Ambulanz zu verwehren. Als sie den Überfall bei den Behörden melden, geraten die Mönche zusätzlich unter Druck des Militärs, das den Terroristen nicht unähnliche Methoden einsetzt. Das Militär drängt die Mönche zum Verlassen des Landes, was sie jedoch standhaft ablehnen. Die Missionare möchten nicht die selbst unter den Fundamentalisten leidende Zivilbevölkerung im Stich lassen und ihr Missionswerk aufgeben. Sie entscheiden zu bleiben und mit der ständigen Todesbedrohung zu leben.
In einer kalten Märznacht des Jahres 1996 werden schließlich sieben der neun Fratres von einer Terroreinheit entführt. Diese fordern als Gegenzug die Befreiung von inhaftierten Anhängern der GIA. Einen Gefangenenaustausch hat es nie gegeben. Jedoch wurden drei Monate später die abgetrennten Häupter der Ordensbrüder bei Médéa aufgefunden. Neuerdings lassen durchgesickerte Nachrichten aus geheimen Militärakten den Verdacht zu, dass möglicherweise das algerische Militär bei der Befreiungsaktion die Mönche versehentlich selbst getötet hat. Der Mord wäre dann aber der GIA in die Schuhe geschoben worden, um einen diplomatischen Eklat zu vermeiden.
Soweit zu den Ereignissen, die die Rahmenhandlung bilden. Der Film stellt jedoch weder die gewaltsame Ermordung der Brüder in den Mittelpunkt, diese wird am Filmende nur angedeutet, noch die Konfrontation von Christentum und Islam im Sinne eines Religionskrieges. Regisseur Xavier Beauvois geht es vielmehr um die Darstellung des inneren Konflikts der bedrohten Ordensbrüder, die zwischen ihrem Missionsauftrag und dem natürlichen Wunsch der eigenen Unversehrtheit hin und her gerissen sind. Dieser Konflikt wird von den einzelnen Mönchen ganz unterschiedlich durchlebt. Und genau hier liegt die Stärke dieses filmischen Meisterwerks: die differenzierte Charakterzeichnung der einzelnen Fratres mit ihren Gefühlen und durchaus menschlichen Schwächen, während sie die diversen Stadien der Angst, der Unsicherheit und des Zweifels durchlaufen. Sollen sie bleiben oder dieses gefährliche Land verlassen?
Der im Glauben standhafte Prior Christian, überzeugt gespielt von Lambert Wilson, und der greise Arzt Luc plädieren zunächst als einzige für das Bleiben gegenüber den von Furcht geplagten Mitbrüdern. Das jüngste Mitglied, der wankelmütige Frère Christophe, spricht den anderen aus dem Herzen, als er argumentiert: „Ich bin nicht Mönch geworden, um mich von Fanatikern töten zu lassen“. Er wird angesichts der Todesangst sogar von einer tiefen Glaubenskrise erfasst und möchte am liebsten Reißaus nehmen. „Gott, warum hast Du mich verlassen“, schreit es verzweifelt aus der Stille seiner Klosterzelle. Auch der ältere Bruder Célestin möchte unter dem Vorwand seiner Krankheit zurück in die sichere Heimat. An Feigheit grenzende Angst übermannt zwei Mönche, die sich während des ersten Überfalls im Keller verstecken und ihren Prior allein mit den Terroristen verhandeln lassen.
Der Abt überlässt in demokratischer Abstimmung jedem einzelnen Ordensbruder die freie Entscheidung. Die Frage scheint die kleine Klostergemeinschaft auseinander zu sprengen. Erst nach langem Diskutieren, Streiten und inneren Kämpfen und vor allem aus ganz unterschiedlichen Beweggründen und Gedankengängen heraus, ringen sie sich zu einem gemeinsamen Entschluss durch. Sie finden alle zueinander wie verlorene Mitglieder einer Familie, sie finden wieder ihren Glauben zu Gott, zu ihrer eigentlichen Bestimmung, ihrer Liebesmission zurück, die einst der Grund ihrer Berufung war. In einer wie das letzte Abendmahl inszenierten Szene halten sich die Brüder an den Händen und weinen vor Freude über das wieder gefundene Glück der Einigkeit ihrer Gemeinschaft.
Nun folgt das, was geschehen musste. In der nächsten Szene sieht man sieben Mönche schweigend durch den eisigen Schnee des Atlasgebirges stapfen, angetrieben durch die Kalaschnikows der Terroristen. Der asthmakranke Luc bricht fast zusammen, er wird von den Mitbrüdern gestützt. Die Furcht über die Ungewissheit ihres Schicksals steht ihnen in den zerfurchten Gesichtern geschrieben. Dennoch verrät ihr Blick die Gewissheit, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
Ein stiller Film fast ganz ohne musikalische Untermalung. Nur der Gesang der Klosterbrüder während der Stundengebete begleiten die Bilder. Die Mönche singen mit einer Stimme, um in Gemeinschaft mit dem Atem des Lebens im geistigen Kampf zu verschmelzen, heißt es. Schöne Naturaufnahmen und Szenen der schweigend verrichteten Arbeit auf den Feldern und Obstplantagen lassen den Zuschauer gleichsam in die kontemplative Welt des Ordens eintauchen. Trappisten sind Zisterzienser der strengeren Observanz, für sie ist der Einklang mit der Natur Voraussetzung für inneren Frieden und Gotteserfahrung.
Der Regisseur, der sich vor den Dreharbeiten in ein Trappistenkloster zurückgezogen hat, zeichnet seine Figuren mit großer Distanz. Nie kommt Beauvois von dem Pfade der Realität ab, nie wird er melodramatisch, noch werden die asketischen Trappistenmönche zu triumphierenden Märtyrer stilisiert. Seine Ordensleute sind nicht von vorn herein gefeit gegen niedere menschliche Instinkte und Emotionen. Jedoch finden sie einen Weg, ihrem christlichen Gelübde bedingungsloser Liebe gegenüber den Mitmenschen treu zu bleiben. Beauvois geht es dabei nicht um ein moralisches Urteil, Islam und Islamismus werden nicht in einen Topf geworfen. Dagegen wird die Möglichkeit einer friedlichen Koexistenz von Christentum und Islam aufgezeigt. Ein großer Lichtblick in der heutigen Zeit.
Der Film wurde in Cannes mit dem Großen Preis der Jury prämiert. In Frankreich ist er zu einem ungeahnten Kassenschlager geworden. In deutschen und österreichischen Kinos startet der Film regulär am 16. Dezember, pünktlich zum christlichen Friedensfest.