Eine Art Happening moderner sakraler Kunst begleitet in dieser Fastenzeit die Pilger auf ihrem Weg zum Petersdom. Der figurenreichste und größte plastische Kreuzweg aller Zeiten ist am vergangenen Sonntag auf der Via della Conciliazione eingeweiht worden.
Es ist die Straße, die vom Tiber auf den Petersplatz führt, also die historische Altstadt Roms mit dem Vatikan verbindet. Sie wurde nach den Lateransverträgen als Schneise durch den dichten mittelalterlichen Borgo geschlagen, um den Blick auf die Basilika und die Kolonnaden freizugeben. Die „Straße der Versöhnung“, wie sie getauft wurde, sollte Symbol der wiedergefundenen Eintracht zwischen dem faschistischen Staat und dem Heiligen Stuhl sein, die mit der Gründung des Vatikanstaat 1929 besiegelt wurde. Die von eleganten Palästen und Kirchen gesäumte 600 Meter lange Achse ist die ideale Bühne für die vierzehn Kreuzwegsstationen. Insgesamt 49 überlebensgroße Statuen und 11 Kreuze aus Bronze verteilen sich auf diese Stationen der Passion Christi.
Die Werke wurden von der chilenischen Stadt Coquimbo in Auftrag gegeben, die sich seit dem Papstbesuch 1987 dem Heiligen Vater besonders verbunden fühlt. So hat sie anlässlich des Pilgerjubiläums 2000 ein 92 Meter hohes, von Innen begehbares Kreuz auf dem Berg über der Stadt errichtete, das nachts als weithin sichtbares Wahrzeichen angestrahlt wird. Am kommenden 1. Mai wird dort zeitgleich zur römischen Seligsprechung eine Johannes Paul II. gewidmete Gemeinde eingeweiht. Der bronzene Kreuzweg wird für diesen Zweck wieder seine Rückreise antreten. Er soll einen bleibenden Platz in dem Millenniumspark unterhalb des riesigen Kreuzes bekommen.
Das Werk ist eine Koproduktion der beiden wenig bekannten italienischen Künstler Pasquale Nava und Giuseppe Allamprese. Sie waren seit 2002 mit dem Entwurf und Fertigung der über zwei Meter großen Skulpturen beschäftigt, für die fast 20.000 Tonnen Bronze benötigt wurden. Umso bekannter ist das Unternehmen für Sakralkunst Domus Dei, das die aufwendigen technischen Geräte und Ateliers zur Verfügung stellte. Es ist in Besitz der päpstlichen Kongregation Pie Discepole del Divin Maestro. Seine Werkstätten und Künstler gelten in Italien als führend in antiken Techniken der Mosaik- und Bronzekunst. So wurde die Firma in den 90ziger Jahren für das komplizierte Kopier- und Gussverfahren der berühmten Reiterbronze des Mark Aurel auf dem Kapitol herangezogen. Es war dann auch die angesehene Präsidentin des Domus Dei, Schwester Rosalia Rossetti, die den römischen Bürgermeister dazu bewegte, den Kreuzweg auf der zum Stadtterritorium gehörenden Via della Conciliazione inszenieren zu dürfen.
Giuseppe Allamprese, einer der Künstler, erläuterte seine Arbeit letzten Mittwoch auf einer Präsentation im Pressesaal von Radio Vatikan:
“Wir sind zwei verschiedene Künstlerhände, daher war es nötig, zwei Stile harmonisch miteinander zu verbinden, damit das Gesamtwerk nicht uneinheitlich erschien. Für die Statuen wurde zunächst ein Tonmodel gefertigt, der Bronzeguss erfolgte anschließend im Wachsausschmelzungsverfahren. Der Stil ist traditionell, weil unsere Kunstsprache für das Publikum so verständlich und direkt wie möglich sein sollte. Gleichzeitig wollten wir den Beschreibungen im Evangelium treu bleiben. Die Figurenzahl wurden pro Station auf vier beschränkt. Wir bemühten uns, die Skulpturen zu möglichst dynamischen Szenarien zu komponieren. Dennoch dürfen die einzelnen Szenen natürlich auch als Früchte unserer persönlichen Interpretation der Bibeltexte aufgefasst werden.“
Die vierzehn Figurengruppen sind auf dem breiten Bürgersteig der linken Straßenseite über eine Länge von 150 Meter aufgestellt. Tausende Touristen und Pilger ziehen auf dem Weg zum Petersdom täglich an den Skulpturen vorbei. Freiwillig oder unfreiwillig werden sie so an die Leiden des Herrn erinnert, an den Sinn des Kreuzes und die Auferstehung. „Dort, wo der Pilger nicht hingelangt, dort kommt der Kreuzweg zu dem Pilger. Das ist eine der zentralen Botschaften, die wir mit der Installation ausdrücken wollten,“ betonte Schwester Rosalia Rossetti.
Kardinal Velasio De Paolis, Präsident der Präfektur für die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Apostolischen Stuhls, fügte hinzu: “Da, wo wir nicht mehr den Sinn des Kreuzes verstehen, verlieren wir den Sinn des Lebens. Vom Kreuz des Herrn haben wir gelernt zu lieben, haben wir eine sehr schwierige, nahezu unmögliche Sache gelernt: wir haben gelernt, den zu lieben, der leidet.“
Es ist ein Kreuzweg zum Anfassen. Das macht ihn in vielerlei Hinsicht lebendiger. Der Betrachter kann um die Figuren herumgehen, sich ihnen beliebig nähern. Viele Menschen halten inne, berühren den bronzenen Christus, der drei mal unter der Last des riesigen Kreuzes zusammenbricht, streichen tröstend der weinenden Maria über die Wange und knien bewegt vor dem Gekreuzigten an der vorletzten Station nieder. Ein Weg der Andacht und Besinnung auf dem Weg zur frohen Osterbotschaft. Und ein Weg der Versöhnung.
Der Kreuzweg ist während der gesamten Fasten- und Osterzeit bis zum 29. April in der Via della Conciliazione in Rom zu sehen.