Reaktionen der deutschen Presse zur Wahl von Papst Franziskus I.
Auf die erste Überraschung über die Wahl eines weitgehend „Unbekannten“, die mit einem Schlag alle noch so durchdachten Prognosen der Vatikankenner zunichte machte, folgte ein allgemeiner Jubel. Es genügten die wenigen persönlichen, einfachen Worte des neugewählten Papstes Jorge Mario Bergoglio, um die Herzen der Katholiken, die zu Zehntausenden gestern auf dem Petersplatz zusammenströmten, zu erobern. Und das gilt nicht nur für die Italiener, die sich natürlich über den neuen Hausherrn im benachbarten Vatikan freuen. Die weltweit extrem positive Aufnahme des ersten lateinamerikanischen Petrusnachfolgers selbst unter Nichtkatholiken dokumentiert farbenfroh wie wortreich die internationale Presse.
Auch die gegenüber Kirchenfragen sonst sehr kritisch eingestellten deutschsprachigen Medien geben dieses Echo fast einhellig wieder. Alle Schlagzeilen der überregionalen Zeitungen loben in erster Linie das schlichte Auftreten des Jesuiten und seine direkte, volksnahe Art. „Die neue Bescheidenheit. Kein Prunk und Protz: Der neue Papst Franziskus I. wirkt wie ein Landpfarrer“ lautet der Titel der linken Berliner Tageszeitung TAZ.
Die liberal-konservative Frankfurter Allgemeine hebt die demonstrierte Unabhängigkeit und den Mut seiner Pastoralarbeit in Argentinien hervor. Dies wären guten Aussichten für die politische Seite des Pontifikalamtes. Er sei der „jesuitische Anwalt der Armen“ und möglicherweise der „ideale Kompromisskandidat verschiedener Strömungen“. Die Begriffe Gerechtigkeit und Frieden hätten bisher die pastorale Arbeit des Erzbischofs von Buenos Aires geprägt. „In seinen Predigten redete er den Politikern jeglicher Couleur ins Gewissen. Das Präsidentenehepaar Kirchner mied zuletzt seine Predigten, in denen er stets die Bedeutung stabiler staatlicher Institutionen betonte.“
Für die linksliberale Süddeutsche Zeitung ist der Argentinier nicht nur der „Papst der Armen“, sondern auch ein „armer Papst“. Denn an ihn seien große Erwartungen geknüpft, „dass er den Bunker verlässt und das tut, was für den Übergang wichtig ist – Brücken bauen zu den Menschen.“
Spiegel-Online begrüßt den „Überraschungs-Papst“ als Intellektuellen, aber auch als charismatischen Asketen. „Er sucht selten die große Bühne, doch wenn, hat er etwas zu sagen. Die Globalisierung ist sein Thema, die Kluft zwischen Arm und Reich.“
Die österreichische links-liberale Tageszeitung Der Standard teilt zusammen mit der italienischen Presse die Auffassung, dass die Wahl und der programmatische Papstname Franziskus einer Revolution gleich kämen. „Er sei „genau der richtige Mann zum richtigen Zeitpunkt“.
Die Hamburger Wochenzeitung Die Zeit (online) sieht mit der Wahl eines Nichteuropäers den Eurozentrismus des Papsttums gebrochen und prognostiziert einen stärkeren Einfluss des lateinamerikanischen Katholizismus in Europa. In einem anderen Kommentar derselben Zeitung wird jedoch das fortgeschrittene Alter des 76 Jährigen Bergoglios als Hindernis für tiefgreifende und lang anhaltende Reformen befürchtet. „Statt eines agilen Reformers wählten die Kardinäle nur einen Übergangspapst.“
Auch der bekannte Vatikan-Experte Andreas Englisch (Focus Online) glaubt – trotz großer Freude über die Wahl des neuen Papstes – diesen vor schwierige Aufgaben gestellt. „Francesco hat wirklich keine Ahnung von der Kurie… Mit dem ganzen Regierungsapparat hatte er bisher nichts zu tun, das wird ganz schwierig. Auf der anderen Seite hat er keine Seilschaften, keine Leichen im Keller, er kommt als völlig unbeschriebenes Blatt.“ Mangelnde Kurienerfahrung betrachtet hingegen die TAZ nicht als Problem. Sie sieht darin eher eine Herausforderung : „Mit seiner Wahl verspricht die Kirche, mit der Wahl seines Papst-Namens verspricht auch Bergoglio, eine Wende für den mit Vatileaks und Pädophilieskandalen schwer ins Gerede gekommenen Verein.“
Besonders freudig wird von den Deutschen die im Web kursierenden Notiz aufgenommen, der italienischstämmige Papst spräche sogar gut deutsch. Mitte der 80ziger Jahre hatte tatsächlich Franziskus an der Ordens-Hochschule der Jesuiten, Sankt Georgen, in Frankfurt am Main einige Monate wegen eines Dissertationsprojekts verbracht. „Zu einem Abschluss in Sankt Georgen ist es jedoch nicht gekommen“, gab heute die Hochschule öffentlich bekannt. Nun, wie frisch die damals erworbenen Sprachkenntnisse nach 30 Jahren noch sind, wird sich zeigen. Bekanntlich muss der Pontifex bei den Audienzen die Gläubigen in ungefähr ein Dutzend verschiedenen Sprachen segnen. Zumindest wird dem aus einfachen Verhältnissen stammenden und erst über den zweiten Bildungsweg an das Theologiestudium herangeführten Jesuiten allseits große Gelehrsamkeit bescheinigt.