Bekrönender Abschluss der Papstreise ins Heilige Land wird die Heilige Messe im Abendmahlssaal auf dem Berg Zion sein. Mit dieser Geste führt Papst Franziskus eine von seinen beiden Vorgängern eingeführte Tradition fort. Johannes Paul II. hat in dem Saal im Jahr 2000 als erster Papst eine Messe gefeiert, was damals fast als Sensation galt. Und Benedikt XVI. hielt darin neun Jahre später einen Wortgottesdienst. Die eines der bedeutendsten Verehrungsstätten Jesu ist Zankapfel zwischen Christen und Juden. Sie darf ähnlich dem Tempelberg als anschauliches Beispiel der Situation im Heiligen Land gelten, wo die drei monotheistischen Religionen aufeinandertreffen und sich ihre historischen Ansprüche auf Kultplätze überlappen. So liegt der Ort, in dem nach der christlichen Überlieferung die Eucharistie eingesetzt wurde, ausgerechnet über der Stelle, an der die Juden das Grab des biblischen König David verehren, wenn auch erst seit dem Mittelalter. Zum guten Schluss verwandelten die islamischen Eroberer im 16. Jh. den Bau in eine Moschee, in der sie „ihren Propheten David“ ehren. Daher liegen heute in dem Gebäude eine christliche Kapelle, eine Synagoge und Moschee über- bzw. nebeneinander.
Seit 1948 Museum
Nach jahrhundertlangem Verbot des Zugangs für Christen gelangte der Komplex im arabisch-jüdischen Krieg 1948 in den Besitz von Israel und wurde zum Museum erklärt. Erstmals erhielten die Christen wieder ein Nutzungsrecht, das allerdings kultisch eingeschränkt ist. So werden Gottesdienste bisher nur in Ausnahmefällen gewährt.
Der kleine Bau verschwindet fast hinter der mächtigen Dormitio-Abtei, dem markantesten Gebäude auf dem Zionsberg. Der südöstlich von der Jerusalemer Altstadt gelegene Hügel gilt als Keimzelle der ersten judenchristlichen Gemeinde. Auf dem Berg Zion jedenfalls lokalisiert die christliche Tradition wichtige Ereignisse der Jünger vor und nach der Kreuzigung: die Fußwaschung, das letzte Abendmahl, den Friedensgruß des Auferstandenen (Lk 24,36ff; Joh 20,19ff.) und die Ausgießung des Heiligen Geistes (Apg 1,12–14). Hier versammelten sich die Jünger nach dem Tod Jesu. Auch soll Maria auf dem Zion „entschlafen“ sein.
Christliche Verehrung des Ortes geht zurück bis ins 2. Jahrhundert
Die als Coenaculum, als Speisesaal bezeichnete Kapelle befindet sich im zweiten Stock des Gebäudes. Das Obergemach war zu jesuanischen Zeit der repräsentative Teil des Hauses, in denen Familie und Gäste bewirtet wurden. Von diesem ursprünglichen Haus jedoch ist (fast) nichts mehr erhalten. Es wird bei Markus und Lukas (Mk 14,12–16; Lk 22,7–13) beschrieben: Die Jünger fanden den großen Speiseraum auf Weisung ihres Meisters, indem sie in der Stadt einem Wasserträger in ein Haus folgten und den Hausherrn auf den benötigten Raum ansprachen.
Der Besucher betritt heute einen kargen, 10×16 Meter großen, weißgetünchten zweischiffige Raum mit hochgotischem Kreuzrippengewölbe. Es handelt sich um den letzten Wiederaufbau durch die Franziskaner aus dem 14. Jh. nach mehrfacher Zerstörung der Vorgängerbauten. Eine erste kleine Kapelle über dem Abendmahlssaal ist schon für die Zeit des Kaisers Hadrian um 130 bezeugt. Nach der konstantinischen Legitimierung der Christen wurde darüber die große Basilika „Hagia Zion“ errichtet, deren Name später möglicherweise auf den ganzen Berg übertragen wurde. Die Basilika wurde von den Kreuzfahrern zerstört vorgefunden und als „St. Marien- Kirche“ wieder aufgebaut; daneben entstand ein Kloster. 1333 wurde das erneut verfallene Heiligtum schließlich den Franziskanern anvertraut, die ihm die heutige architektonische Gestalt gaben.
In dem Saal soll Jesus mit seinen Jüngern am Abend vor seinem Leiden und Sterben zum letzten Mal gegessen haben. Er feierte das jüdische Paschamahl, das an den Auszug aus Ägypten erinnert. Nur ein goldener Ölbaum, umgeben von Weizenähren und Weinreben, verweist in einer Nische auf das Ereignis. Trauben, Körner und Oliven sind wie Christus, der zu Licht, Brot und Wein wird, zur Quelle des Lebens.
Ein weiteres christliches Emblem in dem sonst fast schmucklosen Raum sind die Pelikane auf dem Kapitell, welches den Bogen über der Treppe stützt. Die Szene der zwei Pelikane, die an der Brust eines dritten picken, stellt die Legende des Vogels dar, der seine Nachkommen von seinem eigenen Körper nährt. Mit der Zeit wurde dies zum Symbol für das Opfer Christi. An die Kreuzfahrer erinnern zwei verblasste Farbfresken rechts neben dem Eingang, die Kreuzfahrerwappen darstellen. Ein dreiarmiger Leuchter repräsentiert die drei monotheistischen Religionen. Er ist ein Geschenk von dem italienischen Presbyter Don Verzé.
Die Spuren der islamischen Besitznahme des Raums sind hingegen kaum zu übersehen. Neben den arabisch ornamentierten Fenstern fällt der reich verzierte Mihrab an einer Wand ins Auge. Die nach Mekka ausgerichtete Gebetsnische wurde 1523 eingefügt, als die Franziskaner von den Osmanen aus dem Gebäude vertrieben und der Raum in die Moschee al-Nabi Da’ud umgewandelt wurde.
Ort der Fusswaschung im Erdgeschoss
Auch das untere Stockwerk, das einen separierten Eingang hat, ist Verehrungsstätte von zwei Religionen: von den Christen wird es als Ort der Fußwaschung angesehen (Joh 13,1-5), während die Juden ihn als Ruhestätte des biblischen Königs betrachten. Es besteht aus vier Räumen. Der vom Eingang aus gesehen erste war der untere Teil der Franziskanerkirche des 12. Jhs. Auf zwei weitere Kammern folgt eine dritte, die von Besuchern nicht betreten werden kann. Hier befindet sich der große Kenotaph, ein leeres Grabdenkmal, bedeckt mit einem goldbesticktem blauen Samttuch mit hebräischen Texten. Hinter dem Kenotaph liegt sich eine zum Tempelberg weisende, rußgeschwärzte Nische aus dem 4. Jh., deren ursprünglicher Zweck unklar ist. Umstritten ist, ob es sich bei dem ursprünglichen Gebäude um eine Synagoge oder um eine frühchristliche Kirche handelt. Unter dem heutigen Fußboden finden sich ältere Fundamente aus der Kreuzfahrerzeit, der byzantinischen und sogar römischen Epoche.
Kenotaph erst seit dem 12. Jahrhundert als „Davidsgrab“ verehrt
Die Zuweisung des Grabes an David gilt in der Forschung als höchst unsicher. Seine Verehrung an dieser Stelle lässt sich nur in das 12. Jh. zurückverfolgen. Dem biblischen Bericht zufolge liegt seine Begräbnisstätte wie die der anderen Könige von Juda in der „Davidstadt“, auf dem 700 Meter entfernten Ophel-Hügel (1. Kg. 2,10). Da jedoch die jüdischen Bewohner bis 1967 keinen Zugang zur Klagemauer hatten, wurde das vermeintliche Davidsgrab zu einem beliebten „Pilgerziel“.
Die derzeit eingeschränkten Nutzungs sind Gegenstand langjähriger Verhandlungen zwischen dem Vatikan und Israel. Ein noch nicht endgültig verabschiedeter Lösungsentwurf sieht vor, dass der Franziskanerorden künftig das umfassende Nutzungsrecht für die Stätte erhält und dort wieder Gottesdienste gefeiert werden könnten. Im Juli letzten Jahres hatte die israelische Regierung in einer parlamentarischen Anhörung bestätigt, dass Verhandlungen weit fortgeschritten sind. Das hat zu Protesten auf Seiten ultra-orthodoxer Kreise, vor allem der national-religiösen Thora-Schule „Diaspora-Jeschiwa“ geführt. Beide Staaten betonten in den vergangenen Tagen aber übereinstimmend, dass während der Papstreise kein diesbezügliches Abkommen unterzeichnet werde.