Kochbuch „Buon Appetito“von Schweizer Gardisten enthüllt Lieblingsgerichte der Päpste
Rom -. Trüffelgefüllte Kapaune, Wachtelragout und gespickter Hase in Rosmarinblütenessig zwischen Heiligenfiguren aus Marzipan und Zuckerguss als Tischdekoration. Einst stand die Tafel der Päpste den Prunkbanketten der weltlichen Fürsten in nichts nach. Höhepunkt der Prachtentfaltung war das Barockzeitalter, als der Pontifex die Herrlichkeit der „Ecclesia triumphans“ bereits der irdischen Pilgerschaft sichtbar machen wollte und bisweilen mit dem Sonnenkönig wetteiferte.
Aber das ist lange her. Evangelische Schlichtheit ist auf dem Tisch im apostolischen Palast eingekehrt, und das nicht erst seit Papst Franziskus. Das bedeutet jedoch nicht, dass auf gute Hausmannskost verzichtet wird. Und genau davon handelt ein ungewöhnliches Buch, das zwei Schweizer Gardisten verfasst haben. Unter dem Motto „Glaube geht durch den Magen“ gestatten sie nicht nur einen Blick in die Töpfe der vatikanischen Küche, sondern plaudern auch ein wenig über den Alltag der berühmten Renaissance-Leibwache des Papstes, die heute noch in den historischen Söldneruniformen vor den Eingängen des Vatikans stehen.
Hauptautor ist der vierundzwanzigjährige Hellebardier David Geisser, der, bevor er sich zu dem 25-monatigen Dienst verpflichtet hat, zum Koch in einem Sternerestaurant ausgebildet wurde. Das mit dem britischen TV-Starkoch Jamie Oliver verglichenes Jungtalent hat bereits zwei kulinarische Bestseller in der Schweiz publiziert. Sein Vorgesetzter, Wachtmeister Erwin Niederberger, ein gelernter Konditor, schrieb die Einführung und half bei der Zusammenstellung der 60 Rezepte, die alle zum Nachkochen sind.
Es handelt sich um Alltags- und Festtagsgerichte, wie sie über das Kirchen- und Kalenderjahr von polnischen Schwestern in der Mensa der Garde zubereitet werden. Die Offiziere und der Kaplan werden anhand ihrer Lieblingsspeisen vorgestellt. Darüber hinaus verraten kirchliche Würdenträger ihre geheimen Gaumenfreuden. So schwärmt Monsignor Georg Gänswein, der Sekretär von Benedikt XVI., für den römischen Klassiker Saltimbocca alla Romana.
Im Lande der großen gastronomischen Traditionen ist die Kost der Garde freilich stark italienisch geprägt. Pasta und Risotto werden fast täglich geboten, aber es gibt auch einige polnisch inspirierte Gerichte. Am Freitag wird statt Fleisch Fisch oder Pizza serviert. Geisser darf selbst einmal im Monat ein Abendessen für die Mannschaft kredenzen. Dann gibt es meistens als Hommage an die Heimat einen Schweizer Bauernteller wie zum Beispiel Kartoffel-Rösti. Die Rezepte hat er für das Buch leicht abgewandelt und veredelt. „Wichtig ist, dass sie einfach und schnell zu zubereiten sind!“ Neben preiswerten Alltagsgerichten wie Tomatensuppe und Auberginenauflauf findet man in Seeteufel auf Agretti (Gemüse) oder Kaninchen in Mandelsoße aufwendigere Speisen, die an den besonderen Festtagen serviert werden (können).
Der Leser ist natürlich begierig, auch über die „menschliche Seite“ des Heiligen Vaters zu erfahren. Die Enthüllung der Favoritenmenüs der letzten drei Päpste ist sicherlich ein Höhepunkt dieses Kochbuchs. Im Anbetracht des nicht zu beneidenden Arbeitspensums des Kirchenoberhauptes darf vorausgesetzt werden, dass ihm gewöhnlich nur wenig Zeit für ein ausgedehnteres, entspanntes Mahl gegönnt ist. Davon abgesehen, pflegten Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus auch schon vor ihrer Amtszeit einen anspruchslosen Lebensstil ohne kulinarische oder anderweitige Ausschweifungen.
In der Tat vereint die drei Nicht-Italiener eine Tendenz zu einfacher Hausmannskost und vor allem Nostalgie nach den typischen Speisen der heimatlichen Küche aus den Kindertagen: der Pole hatte eine Schwäche für Piroggen (Teigtaschen) und Fleischvögeln (Rindsrouladen) auf Rotkraut; der Bayer aus Marktl liebt Regensburger Wurstsalat und der Argentinier mag besonders Empanadas, gefüllte Blätterteigtaschen, und Colita de Cuadril, geschmortes Rindfleisch. Aber es gibt ein zweites auffallendes Element, die die drei Pontifices verbindet: der ausgesprochene Hang zum süßen Dessert, das im Menü nicht fehlen durfte. Sei es der mit Eischaumpudding gefüllte polnische Apfelkuchen, der bayerische Kirschmichel oder das Dulce de Leche, eine argentinischen Milchkaramellcreme.
Papst Franziskus, der zusammen mit anderen Gästen in der Domus Santa Marta von italienischen Haushälterinnen versorgt wird, legt insbesondere Wert auf preisgünstige, gesunde, gemüsereiche Kost ohne große Facetten. Für feines Tafeln hat er wenig Sinn. Bis vor zwei Jahren bekochte er sich täglich selbst in seiner Stadtwohnung in Buenos Aires. Jedenfalls soll er sich geradezu nostalgisch gegenüber den Autoren geäußert haben, als sie ihm das Kochbuch mit einer Widmung bei einer Audienz im letzten Oktober überreichten. Die darin aufgeführten argentinischen Rezepte habe er früher auch oft zubereitet.
Neben dem kulinarischen Spaziergang bietet der reich bebilderte Band auch Hinweise auf das Leben der Gardisten: welche Restaurants die Mitglieder in ihrer Freizeit besuchen, oder was sie in der Sommerresidenz des Papstes gerne essen – es wird bedauert, dass Franziskus diese nicht benutzt – oder wie sie ihre Freizeit gestalten. Zum Abschluss des Buches wird mit drei Tischgebeten ein Bogen von den Gaumenfreuden zum Spirituellen geschlagen – damit der Leser nach der virtuellen Reise durch das „vatikanische Schlaraffenland“ nicht so sehr ins „Schwelgen“ abdriftet…