Buchtipp: Vatikan-Kenner Ulrich Nersinger über Päpste und Tiere
Mit den vatikanischen Palästen werden gewöhnlich kühle Marmorfußböden und geometrische Blumenrabatten assoziiert. Kaum bekannt ist, dass sich hinter den hohen Mauern eine bunte, lebendige Tierwelt verbirgt. Vatikan-Experte Ulrich Nersinger hat allerlei Historisches zu dieser Fauna zusammengetragen, die er, zu amüsanten Anekdoten aufbereitet, in seinem neuen Buch „Die Arche Petri“ vorstellt. Wirft man einen Blick auf die 2000-jährige Geschichte, so stellt man fest, dass Tiere – und nicht nur auf dem Teller serviert – stets eine große Rolle im Alltag des Kirchenoberhauptes spielten.
Neben der teils wundersamen Tierliebe einzelner Pontifices und den heutigen Nutztieren in der Fattoria Pontificia von Castel Gandolfo, ist von den Tiersymbolen in der Heraldik und der Tradition von Tieren in der Liturgie die Rede: sprich Tiere in allen Facetten und Lebenslagen der katholischen Enklave.
Der größte und kurioseste Gast hinter den Mauern war sicherlich Annone, ein weißer Elefant, den König Emanuel I. von Portugal dem neu gewählten Papst Leo X. 1514 zum Geschenk machte. Der Dickhäuter wurde zur Maskotte des Papsthofs. Er wohnte in einem eigens gebauten Haus im Garten. Als Annone zwei Jahre später an Darmverschluss verendete, möglicherweise verursacht durch eine falsche Behandlung mit einem mit Gold angereichertem Abführmittel, beweinte der Renaissancepapst den Tod seines Hausfreundes bitterlich. Raffael hat das berühmte Tier auf einem Fresko in den Loggen verewigt.
Während Klemens XIV. (1769-74), ein wahrer Pferdenarr, zum Missfallen seiner Ärzte ungestümes Reiten liebte, zog Papst Benedikt XV. (1914-22), der wegen seiner unermüdlichen Friedensmission während des Ersten Weltkriegs in die Geschichte einging, seine (stummen) Fische der Gesellschaft der (geschwätzigen) Prälaten vor.
Viele Päpste brachten kleine Haustiere mit in den Vatikan. Hier allerdings entlarvt der Autor Papst Ratzingers „schwarze Hauskatze“ als Zeitungsfinte ebenso wie die kursierende Notiz über den abgerichteten Wüstenbussard Sylvia, der als Bodyguard für die Friedenstauben gehalten würde. Weiße Tauben lässt der Papst von dem Angelus-Fenster des Apostolischen Palasts aus am Weltfriedenstag fliegen. Das letzte Mal wurde zum Schrecken der Gläubigen auf dem Petersplatz eine Taube von einer Krähe im Fluge erhascht, was als böses Omen gilt. Einen wirksamen Schutz vor Attacken gibt es leider bisher nicht.
Keine Legende ist hingegen, dass die päpstlichen Kühe gegen radioaktiven Fallout gedient haben. Nach dem Reaktorunglück in Tschernobyl 1986 war die Heuernte in der Fattoria Pontificia in Castelgandolfo als einzige in der Zone nicht radioaktiv verseucht, da besonders gut mit undurchlässigen Planen geschützt. Die dort produzierte Milch der Kühe wurde der italienischen Gesundheitsbehörde für Säuglinge zur Verfügung gestellt. Der Bauernhof mit seinen Bienenstöcken, 70 Kühen, 300 Hühnern, 40 Kaninchen u.a. kann übrigens neuerdings auf dem Villengrundstück besichtigt werden.
Das Sommerschloss in Castelgandolfo hat schon früher wertvolle Dienste geleistet. In den Gärten hoch über dem Albaner See drängten sich während der Bombardierungen 1944 zwölftausend Flüchtlingen – zusammen mit Pferden, Eseln, Rindern, Ziegen und Hühnern, so dass Szenarium einer „riesigen Arche Noah, die auf dieser unerreichbaren Höhe gerettet wurde“ glich, so Emilio Bonelli, einstiger Direktor der Päpstlichen Villen. Pius XII. öffneten alle Hilfesuchenden die Pforte. Die Nutztiere garantierten das Überleben der Flüchtlinge.
Leo XIII. (1878-1903), der sein gesamtes Pontifikat als „freiwilliger Gefangener“ in den vatikanischen Mauern verbrachte, hat sich die „Welt ins Haus geholt“ und einen kleinen Tierpark eingerichtet: In einer Voliere lebten Fasanen, Pfauen, Pharaohühner und Papageien, während in einem Gehege Damhirsche und Rehe, Strauße, Pelikane und Gazellen gehalten wurden. „Leo liebte es besonders, sich mit den Gazellen abzugeben, indem er sie mit dem Stock neckte.“
Den Tierpark gibt es heute nicht mehr. Dafür sind heute die vatikanischen Gärten mit ihren Jahrhundertealten Zedern, Lärchen, Steineichen und Pinien ein kleines Vogelparadies. 26 Arten wurden bisher registriert. Papst Benedikt XVI., ein aufmerksamer Beobachter, entdeckte einst auf einem Spaziergang eine seltene Art, eine weiße Amsel.
Ein im Vatikan weniger gern gesehener Gast ist hingegen der Rote Rüsselkäfer, der die Palmen absterben lässt. Mit Radiofrequenz-Chips und Duftfallen wird der Parasit in Schach gehalten.
Tiersegnungen in Rom haben bereits seit dem Mittelalter Tradition. Goethe beschrieb in seinen Reiseberichten den kunterbunten Auflauf von Mauleseln, Pferden, Rinder, Schweine, aber auch Katzen und Hunde, die von ihren Besitzern am 17. Januar zur Segnung vor die Kirche des S. Antonio Abbate auf dem Esquilin gebracht wurden. Der heilige Mönchvater ist der Schutzpatron der Tiere. Seit 2008 ist die populäre Tiersegnung vor die Kolonnaden des Petersplatzes verlegt. Zu dem Anlass bietet der italienische Tierzüchterverband „Aia“, der einen kleinen Bauernhof auf dem Platz aufbaut, kostenlose Untersuchungen für Haustiere an, die die Anwohner gerne in Anspruch nehmen.
Ein eigenes Kapitel widmet der Kirchenhistoriker Nersinger der Tiersymbolik in den Papstwappen. Am häufigsten in Rom sind die Bienen des Barberini-Papstes Urban VIII. anzutreffen, die Brunnen, Kirchen, Paläste und Villen zieren. Drei an der Zahl stehen sie für Fleiß, Sparsamkeit und Süße. Urban hat Rom um zahlreiche „süße“ Kunstwerke von seinem Lieblingsarchitekten Lorenzo Bernini bereichert. Dieser Papst, neben seinem Mäzenatentum auch ein fleißiger Jurist, hat die berühmte Bienenzucht in Castelgandolfo eingeführt. Der kostbare Bio-Honig landet auch heute noch auf dem Frühstückstisch von Papst Franziskus!
Ulrich Nersinger: Die Arche Petri. Von großen und kleinen Tieren im Vatikan
Verlag Petra Kehl, broschiert, 96 Seiten, 8,90 Euro
ISBN 978-3-930883-70-7