Wiedereröffnung der Spanischen Treppe nach einjähriger Restaurierung
Zenit.org – Es begann damit, dass Kardinal Jules Mazarin (1602-1661) nicht seinen Rocksaum beschmutzen wollte, wenn er zur französischen Kirche S. Trinità dei Monti in Rom hoch stapfte. Denn zu Lebzeiten des einstigen päpstlichen Legaten, der zum Staatsminister von Frankreich avancierte, führte zum Pincio-Hügel nur ein einfacher baumbestandener Trampelpfad hinauf. Der Hügelabschnitt war schon seit 1503 im Besitz des französischen Königshaus, das ihn von der besagten Kirche bekrönen ließ. Die Bourbonen verlangten also einen würdigen Aufgang zu ihrer Kirche. Daraus wurde die schönste und berühmteste Freitreppe Roms, vielleicht sogar der Welt: die Spanische Treppe. Den irreführenden Namen erhielt sie von der spanischen Botschaft beim Heiligen Stuhl am Fuße der Treppe. Sie müsste eigentlich “Französische Treppe” heißen.
Die Anekdote von der lehmverschmierten Soutane erklärt natürlich nicht den eigentlichen Bauanlass der Treppe. Mit der Entstehung des Barockviertels unterhalb des Hügels sollte nicht nur der Höhenunterschied von 25 Metern beglichen werden. Das ungepflegte Wäldchen am Abhang wurde auch nicht als stilgemäß betrachtet. Es sollte eine bauliche Einheit zwischen Hügel und Unterstadt hergestellt werden. Darin waren sich der Besitzer des Terrains, das französische Königshaus, und der Hausherr, der Papst, einig. Uneinigkeit hingegen herrschte über die Frage, welche Macht die Treppe zu ihrem Aushängeschild machen durfte.
So wurde das Projekt zu einem langjährigen Tauziehen zwischen König und Pontifex. Das mächtige Frankreich wollte ursprünglich eine Prunkrampe mit dem Reiterstandbild des Sonnenkönigs bekrönen. Das ging dem Papst zu weit. Ein Denkmal für einen fremden Herrscher, sei es auch die Schutzmacht, wollte der Oberhirte im eigenen Staat keinesfalls dulden. Geldgeber war zwar der französische Diplomat Etienne Gueffier im Jahre 1661. Architekt und Projekt wurden jedoch vom Papst Benedikt XIII. bestimmt. Francesco de Sanctis schuf zwischen 1723 und 1726 eine elegante, fließende Rokoko-Kaskade mit 137 teils konkav, teils konvex geschwungenen, flachen Stufen, die den Aufstieg zu einem leichten wie abwechslungsreichen Vergnügen machen. Von den drei Terrassen, die die Treppe horizontal gliedern, eröffnen sich immer wieder neue Aussichten.
Damit der päpstliche Machtanspruch allgemein deutlich wurde, pflanzte Pius VI. schließlich anstelle des geplanten Reiterstandbildes einen Obelisken mit einer Kreuz-Spitze auf die oberste Terrasse. Mit seiner etwas unglücklichen Position – der Granitpfeiler steht asymmetrisch zur Treppe und Kirche – wirkt er wie ein trotziges Ausrufezeichen über dem Stufenbau. Ludwig XV. musste sich mit einer Gedenktafel zufriedengeben. Immerhin durften die Bourbonen ihr Lilienwappen auf den äußeren steinernen Pfosten und Kugeln anbringen, die sie Treppe zieren.
Die bühnenartige Kulisse wurde sofort zum Anziehungspunkt für Bürger jeden Standes und für Reisende, denen sich Rom seit dem 18. Jahrhundert erfreute. Auch die deutsche Künstlerkolonie ließ sich in dem spanischen Viertel nieder. Die Stufen laden seit jeher zum Verweilen, zum Müßiggang ein. Selbst Vandalismus ist nicht neu. Zeitungsnotizen aus dem 19. Jahrhundert berichten von Obdachlosen, die sich nachts mit kleinen Feuern auf den Stufen erwärmten, unter deren Hitze die Travertinplatten barsten.
Seit dem Aufkommen des Massentourismus kann sich die Rokoko-Rampe jedoch kaum noch retten vor den Spuren undisziplinierter Müßiggänger, die bis tief in die Nacht die Stufen bevölkern: Kaugummi, Eis, Tomatensoße und sonstige schmierige Speisereste, die sich als dunkle Flecken in den porösen Stein festgetreten haben.
Vergangenen Oktober wurde die Treppe für einen umfassenden restauro geschlossen. Der Juwelier Bulgari, einstiges Familienunternehmen mit Gründungssitz in der benachbarten Via Condotti, heute ein Riesen-Konzern für Luxusgüter, hat sich mit der Bereitstellung von 1,5 Mio Euro eine billige wie wirksame Reklame vor der Haustür gekauft. Nach fast einem Jahr wird heute nun das beliebte Bauwerk wieder der Öffentlichkeit zurückgegeben. Das römische Sinfonieorchester von Santa Cecilia begleitet die „Enthüllung“ mit einem Konzert. Der Bauzaun aus Plexiglas wird endlich entfernt, der während der Arbeiten zwar einen freien Blick auf die Rampe, nicht aber das Besteigen gestattete.
Hierzu gab es jüngst eine Polemik. Der reiche Sponsor verlangte, dass in Zukunft die Treppe nachts abgesperrt wird, damit „sie nicht Barbaren überlassen ist, die dort essen, sich betrinken und Zigarettenkippen wegwerfen“. Wenn keine Maßnahmen ergriffen würden, werde die Spanische Treppe bald wieder so schmutzig sein wie vor der Restauration, befürchtet Paolo Bulgari. Die Kulturgüterverwaltung in Rom hat jedoch schon abgewunken. Ein bleibender Sperrzaun wäre ein Eingriff in das Kunstwerk. Vielmehr soll der Einsatz von Polizisten und Bußgeldern verstärkt werden. Dabei ist der Verzehr von Speisen und Getränken schon seit der vorletzten Restaurierung vor 20 Jahren streng verboten. Offenbar hat das bisherige Aufgebot an mit Trillerpfeife gerüsteten vigili urbani nicht genügt, um die Stufen und Brüstungen vor Ess-Vandalismus zu schützen. Eine Umerziehung der Touristen zum respektvolleren Umgang mit Bauwerken ist sicherlich auch von Nöten. Die einzigen Tage im Jahr, in der die Wacharbeit der Polizisten erleichtert wird, sind diejenigen, an denen es regnet. Und natürlich nach Ostern, wenn für circa drei Wochen ein weiß-rosa Blütenteppich aus Azaleenkübeln die Stufen bedecken. Dann erinnert das Rokoko-Meisterwerk wieder an frühere Zeiten.