Unfreiwillige Latrinen-Erlebnisse
Kaum ein Romreisender verliert sich nicht in Lobeshymnen über die Schönheit der Stadt und ihrer Monumente. Er bestaunt die architektonische Leistung der Antike und der Päpste, den hohen Stellenwert von Mode und Kulinarik der Einwohner. Nur die Erfahrung mit den hiesigen Aborten macht ihn stutzig.
Nach öffentlichen Toiletten fahndet man fast vergeblich in der italienischen Hauptstadt. Die wenigen Exemplare, wie das an der Spanischen Treppe, sind nur zu bestimmten Stunden geöffnet, wenn nicht gar außer Betrieb. Wohin also, wenn die Blase drückt?
Man wird an die Bars verwiesen, mit denen Rom reichlich gesegnet ist. 50 Cent kostet ein Glas Mineralwasser am blitzeblank polierten Tresen, damit hat man sich ein Benutzungsrecht der Toilette erkauft. Der Angestellte weist auf eine Tür hinter der Küche: „ecco il bagno!“.
Über eine dunkle Stiege stolpert man vorbei an Putzeimern in den Keller. Verflixt, wo ist der Lichtschalter! Das grelle, bläuliche Neonlicht lässt als erstes die Unreinheiten auf den Kacheln ins Auge springen, mehr als einem lieb ist. Um die Toilettentür in der Minizelle schließen zu können, ist man fast gezwungen, auf die Klobrille steigen. Klopapier? War einmal. Die Rolle ist aufgebraucht. Man sollte immer Taschentücher dabei haben. Nach konvulsivem Drücken des ausgeleierten Hebels am Spülkasten plätschert endlich ein dünner Wasserstrahl in der Kloschüssel. Der reicht aber bei weitem nicht aus, die Hinterlassenschaften in die römische Kloake zu befördern. Egal, schnell raus hier und Händewaschen. Übrigens, wenn die Knöpfe am Wasserhahn fehlen, schauen Sie unter dem Waschbecken nach. Dort ist meist ein altmodisches Fußpedal versteckt, eine Erfindung aus den 1970er Jahren. Das Bad – so scheint es – wurde bei der sonst akkuraten Modernisierung des Lokals einfach vergessen.
Die Italiener sind führend im Bad-Design und in den eigenen vier Wänden äußerst bedacht auf Hygiene. Das gilt jedoch nicht für die Kundentoiletten der römischen Gastronomie, die sind keine Visitenkarte. Es wäre allerdings ein Irrglauben, von den Zuständen in den Toiletten auf die Qualität und Hygiene des Essens schließen zu dürfen. Die Lokalinhaber sind hinsichtlich dieser Diskrepanz kaum in Verlegenheit zu bringen. Sie klagen Anlaufstelle für hunderte von Passanten und Schnellkunden zu sein. Dafür betrachtet man sich nicht zuständig und dimensioniert entsprechend Raum und Reinigungsaufwand der Aborte auf ein abschreckendes Minimum.
Keine Frage, die Stadtverwaltung trägt die Hauptschuld an dieser Situation. Paris hat schon vor Jahren 400 kostenlose und saubere Toilettenhäuschen in der Innenstadt installiert. Davon können die 16 Millionen Touristen, die jährlich Rom bevölkern, nur träumen.
Aber Rom war nicht immer rückständig in Sachen Toilettenkultur. Vor über 2000 Jahren richtete Caesar auf seinem Forum marmorne Wasserklosetts für die Besucher ein. In der ganzen Stadt gab es Latrinen für das „große Geschäft“, die meist in der Nähe von Thermen gelegen waren. Für die kleine Notdurft dienten spezielle Tonvasen in Metallständern am Straßenrand. Noch heute werden Pissoirs in Italien vespasiani nach dem Kaiser Vespasian (69-79 n. Chr.) benannt. Der hatte die lukrative Idee, ausgerechnet die Zünfte der Wäscher, Färber und Gerber zu besteuern, die den stinkenden Urin nachts einsammelten und nutzten. Mit Ammoniak wurde Schafwolle entfettet, Gewänder entfleckt und Tierhäute gegerbt. Dass der Staat aus dem wohltätigen Dienst für die Stadt auch noch Kapital schlug, fand Vespasian keineswegs anrüchig: „pecunia non olet“, antwortete er schnippisch auf die kritische Frage seines Sohnes Titus – „Geld stinkt nicht!“ Heute wäre der Besucher durchaus bereit, einen Obolus für eine Toilette zu bezahlen. Hauptsache sie ist sauber.