„Damit kein Big-Brother-Syndrom aufkommt“

Die Sixtina wird für das Konklave startklar gemacht

Rom.- Seit Dienstagnachmittag wird in der sixtinischen Kapelle gehämmert, gesägt, verschraubt und genäht. Die Betriebsamkeit von vierzig Arbeitern dokumentieren die Aufnahmen des vatikanischen Fernsehsenders. Denn nicht nur für die Museumsbesucher wurden die Pforten der Sixtina geschlossen, auch nicht hauseigenen Journalisten ist ab sofort der Zutritt versperrt. Unter der Leitung des vatikanischen Architekten Paolo Sagretti ist seine Troupe dabei, die Hofkapelle in den traditionellen Raum der Papstwahl umzuwandeln, exakt so, wie ihn die Fotos der drei letzten Papstwahlen festhalten. Der Beginn des Konklave ist zwar noch nicht bekannt gegeben worden, wird aber sicherlich in der kommenden Woche liegen. Gestern ist jedenfalls der letzte Kardinal aus Vietnam eingetroffen. Die Arbeiten laufen zügig aber ohne Hektik. „Kein Vergleich zum Sommer 1978, als die damaligen Kollegen der päpstlichen Floreria zwei Konklave innerhalb von acht Wochen vorbereiten mussten“, sagt Sagretti ganz entspannt.

Sixtina. Ausstellung der Öfen für die StimmzettelFoto: ctv
Sixtina. Ausstellung der Öfen für die Stimmzettel
Foto: ctv

 

Zunächst wird der Fußboden um 50 cm höher gelegt, um ihn dem Stufenniveau der Altarzone anzupassen und somit die gesamte Raumfläche von 530 qm ausnutzen zu können. Dafür baut man ein Metallgerüst, über das große rechteckige Holzplatten montiert werden. Als die Kapelle Ende des 15. Jahrhunderts errichtet wurde, bestand das Kollegium nur aus zweiunddreißig Kardinälen. Diese konnten darin bequem so lange hausen, bis sie sich auf einen Papst geeinigt hatten. Man richtete ihnen Zellen in den angrenzenden Korridoren und Räumen ein. Seitdem die Zahl unter Johannes XXIII. erst auf 82 und dann unter Paul VI. auf 120 Kardinäle erhöht wurde, zwangen allein Platzgründe zu einer gesonderten Unterbringung außerhalb des Kapellentrakts. In einer Neuregelung durch Johannes Paul II. ist festgehalten, dass die Kardinäle nun in dem vatikanischen Gästehaus Domus Sanctae Marthae logieren. In die Sixtina zieht das Kollegium nur noch zu den eigentlichen Wahlsitzungen. Das Gästehaus aus dem 19. Jahrhundert liegt gleich hinter der Audienzhalle. Es wurde 1996 modernisiert und beherbergt 106 Miniappartements und 22 Einzelzimmer, die per Losverfahren an die heute 115 wahlberechtigten Kardinäle vergeben werden. Eigentlich sind es 117 Wahlberechtigte der insgesamt 207 Kardinäle. Zwei Purpurträger werden jedoch aus gesundheitlichen bzw. politischen Gründen nicht an dem Konklave teilnehmen.

 

Die verbleibenden 115 Kardinäle werden an zwölf Tischen Platz nehmen, die in zwei Reihen hintereinander an den Längswänden der Kapelle angeordnet sind. Sie sitzen sich also gegenüber und blicken wahlweise auf die Fresken der Moses- und Christusgeschichte. Vor dem Altar tragen zwei weitere Tische die Urnen für die Wahlzettel und das Evangelium. Alle Tische und der gesamte Holzboden werden von einem weichen beigefarbenen Tuch überzogen, das in diesen Stunden von Schneiderinnen aus dutzenden von Stoffbahnen zusammengenäht wird. Das Tischtuch hat einen langen plissierten bordeauxfarben Saum aus Satin, welcher die Tischbeine komplett verhüllt. Im Hinblick auf die kräftigen Töne der Fresken Michelangelos hat man wohlweißlich gedämpfte neutrale Farben für die Ausstattung gewählt. Der Großteil des Mobiliars ist vom letzten Konklave, manche Stücke und vor allem ein paar gepolsterte Stühle aus Kirschholz wurden neu angefertigt. Bereit ist auch der Samtbeutel, in dem die die Stimmzettel eingesammelt werden, sowie die Tischkarten mit den Namen der Kardinäle. Jeder findet auf seinem Platz einen Stift und einen Stimmzettel auf einer roten Schreibunterlage vor.

 

Sixtina. Konklave 2005 Foto: leonardo.news
Sixtina. Konklave 2005 Foto: leonardo.news

Gestern wurde auch der berühmte gusseiserne Ofen herbeigeschleppt, in dem die Stimmzettel verbrannt werden. Er hat seinen Standort in der linken Ecke vor den Chorgittern. Das kupferne Abzugsrohr wird anschließend durch das Fenster nach außen zum Dach geführt, wo es mit dem berühmten Kaminrohr verschraubt wird. Für diese Aktion werden in den nächsten Tagen Feuerwehrleute auf dem Giebeldach angeseilt. Damit sich eine falsche Deutung des Rauches des Konklaves von 1978 nicht noch einmal wiederholt, hatte Johannes Paul II. einen zweiten Ofen für den weißen Rauch angeordnet. Er wurde ebenso aufgestellt. Einst wurde der weiße Rauch durch die Beimischung von Stroh und Werg erzeugt. Heute verlässt man sich auf chemische Additive.

 

Die Vorstellung, die Kardinäle von äußeren Einflussnahmen komplett abzuschirmen zu müssen, geht bereits auf Gregor X 1274 zurück. Im Zeitalter der digitalen Medien ist solche eine Isolierung nicht einfach. Die Kardinale werden erst zum Beginn des Konklaves in die Domus Sanctae Marthae umziehen. Jetzt wohnen sie noch in privaten Unterkünften über die Stadt verteilt. Die zukünftige Residenz wird gerade von den bisherigen Gästen befreit, aber auch von Internet, Telefon, Fernsehen und Radiogeräten gesäubert. Twitter-Konten der Kardinäle müssen ebenso pausieren. Selbst Post und Zeitungen sind verboten. Zusätzlich soll die Androhung von Exkommunizierung die Kardinäle zur absoluten Schweigepflicht anhalten.

 

Um auch den Kardinäle das unschöne Gefühl „wie bei Big Brother beobachtet zu werden“ zu nehmen, hat der Generalinspekteur der vatikanischen Gendarmerie, Domenico Ciani, alle Sensoren aus der Kapelle entfernen lassen, die die Luftfeuchtigkeit und Temperaturen messen. “Man will eben den geringsten psychologischen Druck oder Spannung verhindern“, erklärt Antonio Paolucci der römischen Tageszeitung Messaggero. Der Direktor der vatikanischen Museen hat ein Auge auf alle Dinge, die in diesen Tagen in seiner Schatzkammer der Renaissancemalerei vorgehen. Der anhaltende Besucherstrom der Museen wird seit Dienstag in weitem Bogen um die Kapelle herumgeführt. Ein Großteil der Borgia-Gemächer mit der Abteilung der modernen Malerei sind ebenso geschlossen wie die Sala Regia, die von den zum Konklave schreitenden Kollegium auf dem Weg zur Sixtina durchquert werden wird.

Was er sich als Museumsdirektor von dem „neuen Hausherrn“ wünschen würde? „Nur, dass er seinem Vorgänger imitiert“, ist die knappe Antwort von Professor Paolucci, der 2007 von Ratzinger an die Leitung der Vatikanischen Museen gerufen wurde. Seitdem weht frischer Wind in den alten verstaubten Galerien, sind unzählige Ausstellungen und museumsdidaktische Initiativen ins Leben gerufen worden.

„War denn Benedikt XVI. anders als die anderen Päpste?“ Paolucci: „Er ist ein  Mann von Kultur, er hat studiert und alles gelesen, was man lesen kann. Andere Pontifices hatten vielleicht eine andere Mission und Sensibilität. Er hingegen betrachtete die Bilder, verstand ihren Sinn…!“