Start der Restaurierung des Kolosseum
(magazin-forum.de) Manche Gestalten sehen aus, als seien sie soeben aus einem Asterix-Comic gestiegen: kräftige Burschen mit derben, sonnengegerbten Gesichtern und markanten Nasen. Manche mit einfältigem Gesichtsausdruck. Ebenso, wie man sich die römischen Soldaten vorstellt, die einst blind für den Ruhm des Imperium kämpften. Die Physionomien scheinen über die Jahrhunderte unverändert. Es sind Männer aus der Stadtplebs, die heute als Centurio oder Legionär verkleidet die alten Ruinen wiederbeleben – zur Erheiterung der Touristen. Sie posieren mit gezücktem Schwert vor dem Kolosseum und Forum für Fotos und treiben ihre Späße vor allem mit amerikanischen und japanischen Besuchern, die am leichtesten anzuwerbende Kundschaft.Seitdem sie im Frühjahr 2012 von der Antikendirektion des Kolosseums verjagt wurden, hat sich der Platz um die Arena etwas gelichtet an Schaustellern. “Genug mit dem Disneyland”, hieß es damals! Viele der kostümierten Römer zogen an den Trevi-Brunnen, vor das Trajansforum oder Pantheon. “Harte Zeiten! Das Geschäft läuft schlecht”, klagt “Centurio” Davide Di Noia. “Wir dürfen nicht mehr direkt vor dem Monument stehen. Die Polizei duldet uns nur noch abseits, am Rande des Platzes, wenn überhaupt”.
Kampf um Gewerbefreiheit
Davide hält jedoch an der alten Kulisse des Kolosseums fest. “Ich unterhalte mit dieser Arbeit schon seit 16 Jahren mich und meine Familie”, verrät der ehemalige Lagerarbeiter nicht ohne Stolz. Fast zweitausend Euro hätte er in sein Kostüm investiert. Es wirkt entschieden authentischer als das mancher Kollegen, die sich auch mit Tennisschuhen und Lorbeerkranz als Legionäre verkaufen. “Ich bin ein Centurio, ein Offizier aus dem Gallien-Feldzug Caesars!” Der Helm mit rotem Busch, der rechteckige Schild, der metallene Spangenpanzer, das cingulum, die Baumwolltunika und die wadenhohen Riemensandalen seien alles “italienische Handarbeit aus Fachgeschäften, nicht etwa aus dem chinesischen Karnevalskostümverleih”. Mit dieser Rüstung trat er sogar als Komparse in der martialischen Serie “Rome” auf, die in Cinecittà gedreht wurde. “Aber heute verdient man nur noch Geld, wenn man mit den Touristen Witzchen reißt,” resigniert Davide und zeigt auf ein paar dreiste Kollegen, die trotz Verbots vor dem Ausgang der Arena auf Touristenfang gehen. Man hört von bis zu vierzig Euro Gage für ein Foto. “Diese Halunken haben das Geschäft und unser aller Ruf ruiniert mit ihren Preisforderungen. Wir hingegen nehmen nur zwischen drei und fünf Euro pro Foto.”
Vor kurzem wurde eine Delegation der Legionäre vom Stadtrat empfangen – nach heftigen Protesten und Okkupation des Kolosseums. Sie kämpfen um die Berufsanerkennung, um eine Reglementierung des Gewerbes. Wenn auch das Gewerbeverbot direkt vor dem Amphitheater bleibt, hat der Bürgermeister eine Neuregelung für Schausteller und Imbissbuden in der benachbarten breiten Forenstraße angekündigt.“ Diese wurde gerade teilweise verkehrsberuhigt und wird in Zukunft mehr Touristen anziehen. Ich gebe nicht auf”, schwört Davide und weist auf den eintätowierten lateinischen Kampfspruch “usque ad finem”- “bis zum (bitteren) Ende“!
Davides Beharrlichkeit hat geschäftliche Gründe. Aufgeheizt durch die Erzählungen der Guides über die blutrünstigen Gladiatorenschauspiele, lassen sich viele Touristen gerne direkt vor der Arena mit den bewaffneten Legionären ablichten. Dass die historische Verknüpfung falsch ist, scheint sie nicht zu interessieren. Legionäre wurden nur unbewaffnet für den Triumphzug in die Stadt gelassen. Im Amphitheater sind sie nie aufgetreten, noch standen sie dort Wache. Was soll’s!
Kolosseum eingehüllt
Davide und seine Kollegen müssen es künftig nicht nur mit den Behörden, sondern auch mit unschönen Baugerüsten aufnehmen. Die Fotosessions sind nämlich noch aus einem anderen Grund gestört: die schönste Schauseite des Baus, der einzig original erhaltene Fassadenabschnitt, ist seit September hinter einem riesigen silberfarbenen Baugerüst verschwunden. Und diese wird nicht vor März 2016 wieder zum Vorschein kommen, dann allerdings blendend weiß geputzt.
Anfang Oktober wurde der Beginn der Restaurierungsarbeiten von der Stadt mit Champagner gefeiert. Das stark verwitterte, bröckelnde Wahrzeichen Roms musste lang genug auf den Moment warten. Eine groteske, typisch italienische Geschichte! Schon in den 90ziger Jahren forderten die Archäologen eine umfassenden Reinigung und Instandsetzung des größten römischen Amphitheaters. Es ist immerhin mit jährlich fünf Millionen Besuchern das am meisten besuchte Monument der Stadt nach dem Vatikan. Erst hieß es, dass der hoch verschuldete Staat dafür kein Geld hätte. Als sich endlich ein großzügiger Geldgeber fand, der erfolgreiche Schuhfabrikant von Tod’s, Diego della Valle, zogen sich die Verhandlungen über die Werberechte endlos hin. Und als der Vertrag schließlich 2011 unterzeichnet wurde, brachen der Verbraucherschutz und eine Baufirma einen juristischen Streit von Zaun, der den Beginn der Arbeiten abermals um zwei Jahre heraus zögerte. Der entnervte Unternehmer war kurz davor, sich aus dem undankbaren Mäzenatentum zurückzuziehen. Dann endlich Ende Juli das ersehnte Gerichtsurteil, das den Startschuss für die dringend notwendigen Arbeiten gab. An mehreren Stellen war der Putz und Gesteinsbrocken herabgestürzt, und die Vibration durch den starken Verkehr hatte zu Rissen im Mauerwerk geführt. Davon abgesehen war der Service für die steigenden Besucherzahlen mehr als mangelhaft: eine Handvoll Dixi-Klos, zu wenig Ticketschalter, fehlende Handläufe der steilen Treppenaufgänge, hässliche Bauzäune als Verschluss der Arkaden, um nur einige Missstände zu nennen.
Deutsche Bauforscher mit dabei
Die Arbeiten gliedern sich in drei Phasen nach Dringlichkeit: zunächst die Reinigung der viergeschossigen, schwarz verfärbten Travertinfassade mit Dampfstrahl, das Stuckieren von Bruchstellen, die Konservierung der antiken Metalldübel sowie die Anbringung von neuen Metallgittern in den Arkaden. In der zweiten Phase wird das Besucherzentrum mit Ticketverkauf, Bookshop, Toiletten und Cafeteria errichtet, und zwar außerhalb des Gebäudes, in der Südostecke des Platzes. In der dritten Phase sollen die Umgänge und die Arena-Unterkellerung (Hypogäen) konsolidiert und neue Teile museal erschlossen werden. Hierbei wird das Deutsche Archäologische Institut in Rom beratend zur Seite stehen. Bauforscher Dr. Heinz-Jürgen Beste hatte zuvor im Auftrag der Soprintendenza die Bauaufnahme des Untergeschosses samt Stichgrabungen durchgeführt. Er beschäftigt sich seit Jahren mit der Rekonstruktion der ausgeklügelten Bühnenmaschinerie. Seine Modelle mit den Käfigen, Winden und Aufzügen für Tiere und Requisiten sind heute im Kolosseum ausgestellt. Beste konnte darlegen, dass es in der ersten Bauphase ein hölzernes Stützensystem für den Arenaboden gab, der für die Flutung des Beckens herausgenommen werden konnte. Damit würde sich die Behauptung der antiken Autoren bewahrheiten, die von Seeschlachten zu den Eröffnungsfeiern 79/80 n. Chr. erzählen. Die Frage war lange in der Forschung umstritten.
Während der gesamten Restaurierungszeit soll das beliebte Monument weiterhin geöffnet bleiben, wenn auch mit starken Einschränkungen. Um verdrossene Besucher zu entschädigen wirbt man schon jetzt mit der Aussicht, dass in drei Jahren die zu besichtigenden Fläche um 25 Prozent vergrößert sein wird. Auch an die Tod’s Werbung auf der Gerüstfassade wird man sich gewöhnen müssen. Aber das ist ein „kleiner Schuh“ im Verhältnis zu dem Geschenk von 25 Mio Euro, die der Sponsor Rom und der Nachwelt gemacht hat.